Pres­se­mit­tei­lung

2003 / 0068 - 05.06.2003

"Friedrichstraße, letzter Bahnhof im demokratischen Berlin"

Im Rahmen des Unterrichts Politische Bildung erinnerten Landrat Martin Wille, Historiker Daniel Küchenmeister und Schauspieler Marco Reichert vor Schülerinnen und Schülern der 12. Klassen der Paul Dessau Gesamtschule Zeuthen an den Aufstand in der DDR vom
17. Juni 1953.

Der Unterricht am 3. Juni 2003 verlief etwas anders als üblich. Mit dem Thema hatten die angehenden Abiturienten bisher wenig oder gar keine Berührung. Die Idee, nicht in einer Festrede sondern im Gespräch mit Jugendlichen an den 50. Jahrestag des Aufstandes in der DDR zu erinnern, kam von Landrat Martin Wille. Mit Unterstützung der Friedrich Ebert Stiftung erlebten die Schüler eine gestaltete Geschichtsstunde mit authentischen Tondokumenten und vorgetragenen Zitaten von Zeitzeugen. Als die Stimme vom Tonband rief: “Friedrichstraße, letzter Bahnhof im demokratischen Berlin!“ waren die Mädchen und Jungen verblüfft. „Wer weiterfuhr, verließ den sowjetischen Sektor Berlins, den es bis zum Mauerbau 1961 gab“, klärte Historiker Küchenmeister auf. Der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 war das Ergebnis einer verordneten Industrialisierung der DDR, die zu Lasten der Menschen ging. Die Lebensmittelpreise stiegen drastisch, Normerhöhungen wurden eingeführt, in der Landwirtschaft wurde die Kollektivierung diktiert. Am 17. Juni 1953 war das Fass schließlich zum überlaufen. Vielerorts gingen die Menschen auf die Straßen und forderten Normen- und Preissenkungen und freie Wahlen. Wie man den Aufstand vom 17. Juni 1953 in Ost und West wertete, erfuhren die Jugendlichen in Aussagen von Zeitzeugen. Küchenmeister hatte extra zu diesem Thema im deutschen Rundfunkarchiv recherchiert. Zu Wort kamen unter anderem Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre, Frauen aus einer Konsumverkaufsstelle, der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer sowie Ministerpräsident Otto Grotewohl. Auch Künstler wie Kurt Barthel und Bertolt Brecht wurden zitiert. Im Gespräch mit den Schülern wurde deutlich, dass sie gern mehr über die DDR-Zeit erfahren würden. Luise Reinhardt meinte, dass die Zeit des Nationalsozialismus im Unterricht sehr ausführlich behandelt werde, die DDR-Geschichte dagegen nur sehr flüchtig. Dennis Walter schlug vor, DDR-Zeitzeugen in die Schule einzuladen. Lehrerin Christina Schuppert war für die Wünsche der Schüler offen.
Zu einer ausführlichen Diskussion kam es nicht mehr, denn die Unterrichtszeit war zu Ende.
Wille übergab den Schülern historische Dokumente aus dem Kreisarchiv über die Ereignisse am 17. Juni 1953 in den Altkreisen Lübben und Luckau. Auf die Frage des Historikers, ob das Ereignis von damals heute im Kreis noch umstritten sei, meinte Wille, dass er in diesem Punkt kein Streitpotential erkennen könne. Ob mit dem Aufstand von 1953 die deutsche Einheit vorbereitet wurde, sei mindestens ein abendfüllendes Thema, was sehr differenziert betrachtet werde. Für ihn war wichtig, das Thema an die jungen Leute heranzutragen. Schließlich hänge von ihnen ab, wie künftig mit historischen Ereignissen umgegangen werde.